Wie war das eigentlich damals mit dem Cruising??

Woodward Avenue - was ist das ?

Woodward Avenue, ewig in der Erinnerung der Leute, die in den Fünfziger- und Sechzigerjahren in Detroit aufwuchsen, galt damals als einer der aller berühmtesten und berüchtigtsten “Cruising Strips” der Welt! Woodward Avenue war nicht nur die Straße in der die Ingenieure der großen Autofabriken ihre neuesten Entwicklungen testeten, wo junge Leute sich zu diversen Flirts trafen und jede Menge Unsinn ausheckten, sondern auch die Strecke auf der sich ehrgeizige Dragracer mit ihren heißen Mühlen die wildesten Schlachten lieferten! Viele glaubten mit ihren teuren Exoten unschlagbar zu sein, solange bis sie von einer der “Bestien der Woodward” mit aufheulendem V-8 und brennendem Gummi in ihre Schranken gewiesen wurden. Fast alle Jungs und so manche Mädchen hatten auf dieser Straße ihr erstes Dragrace, teils mit gutem, teils mit weniger gutem Erfolg. Aber die “Woodward Avenue Szene” bestand nicht nur aus Autos und Strassenrennen von Ampel zu Ampel.

 Es war auch der Ort wo man sich traf und wo man Mädchen aufreißen konnte!  Ganze Völkerwanderungen von einem Drive-In zum anderen fanden statt. Zu ihrer Glanzzeit befanden sich 34 Diners auf einem nur acht Meilen langen Teilstück der Woodward! Die meisten waren Drive-In's. Da war der Totem Pole, das Susie Q (oben abgebildet), das Biff´s, das Varsity, das Bel Aire, das Mars, oder Jumbo Jim’s Big Boy. Das wohl berühmteste von allen aber war Ted’s (siehe Abbildung unten). Zu Ted’s kamen die heißesten Öfen um sich bewundern zu lassen. Während die herumhängenden Leute die Autos bestaunten, diskutierten die Fahrer über die Vorzüge ihrer oft extrem wilden Umbauten, nicht ohne kurz darauf auf die Woodward rauszurollen und alles mit Beweisen zu untermauern! 

Newcomer waren immer willkommene Opfer. So manche Wette wurde verloren und viele Dollars wechselten den Besitzer, oft sogar ganze Fahrzeuge.  Während des Sommers fanden die Dragraces auf der Woodward Avenue mit der selben Regelmäßigkeit jeden Freitag und Samstag nachts statt wie die Spiele der Tigers unten im Briggs Stadion.

Natürlich waren die Rennen immer illegal! Die Behörden sahen aber die meiste Zeit in die andere Richtung. Auch als sich der bei den Jugendlichen so beliebte Sport zu Ende der Fünfzigerjahre über das erträgliche Maß ausweitete, waren den Polizisten meistens die Hände gebunden, da die Woodward durch verschiedene Gemeinden führte. Die Polizei durfte auch bei Verfolgungsjagden ihre  Stadtgrenze nicht überqueren, außer im Falle eines Kapitalverbrechens. Die Gemeinden, die an der Woodward lagen waren Ferndale, Royal Oak, Pleasant Ridge, Huntington Woods und Berkeley nach Süden, sowie Birmingham und Bloomfield Hills nach Norden. Der interessanteste Teil der achtspurigen Straße lag zwischen der nördlichen Stadtgrenze von Detroit und den nördlichen Außenbezirken. Die meiste Action spielte sich in diesem Gebiet ab. Fast alle Drive-In's, Tankstellen und Geschäfte befanden sich dort, außer das Ted’s, welches weiter nördlich lag, fast an der Stadtgrenze von Pontiac. 

 Mit der Zeit, als das Unwesen der Street Races ausuferte, schlossen sich die diversen Gemeinden zusammen und vereinbarten die Gesetzesübertreter über die Stadtgrenzen hinaus verfolgen zu dürfen. Die Drag Fans reagierten darauf mit der Verlegung ihrer Aktivitäten auf die Telegraph Road, einer benachbarten ebenfalls von Norden nach Süden verlaufenden sechs- oder achtspurigen Hauptstraße mit genau einer Meile von einer Ampel zur anderen. Aber trotzdem blieb die Woodward Avenue die Heimat der Cruisers. Zumindest solange bis Ende der Sechzigerjahre das Cruising auf der  Woodward Avenue von der Polizei verboten wurde. Überall wurden Verbotstafeln aufgestellt. Trotz der massiven Proteste der Jugendlichen und der ansässigen Geschäftsleute, besonders der Restaurantbesitzer natürlich, war dieses “mobile Kommunikationszentrum” verloren. Übereifrige Coops verteilten Tickets wo sie nur konnten. Die autobesessene Jugend von Detroit hatte ihren geliebten Strip verloren. Ironischerweise genau zu dem Zeitpunkt als Detroit die heißesten Street Machines aller Zeiten von den Bändern laufen ließ! Es war zu Beginn der Super Car Ära, als die Woodward aufgehört hatte als  “Real Life Teststrecke” zu dienen. Eine Ära war unwiederbringlich zu Ende!  

 

Die Woodward Avenue - ewig unvergessen!

Über all die seither vergangenen Jahre blieb die Woodward unwiderruflich in verklärter Erinnerung der damals Jugendlichen. Mittlerweile in ihren Sechzigern, hatten 1994 einige der damaligen „Halbstarken“ die Idee eine Veranstaltung zum Gedenken an das damalige Cruisen auf der Woodward  zu organisieren, mit dem Hintergedanken mit den Einnahmen die Errichtung eines Fußballplatzes für Kinder zu unterstützen. Der Erfolg des Event's war so groß, dass man beschloss aus diesem Cruising eine alljährlich abgehaltene fixe Einrichtung zu machen.

Das mittlerweile „6. Woodward Dreamcruise“ erstreckte sich über eine Strecke von ca. 25 Kilometern, meistens achtspurig ausgebaut. Der Wettergott muss auch ein Cruiser sein, denn er zauberte ein traumhaftes Wochenendwetter herbei, wie man es sich schöner nicht wünschen kann. Eine unglaubliche Anzahl von Zuschauern hatte sich eingefunden, nämlich über 1,2 Millionen Menschen! Sie säumten die Strasse, viele hatten sich häuslich niedergelassen. Natürlich auf amerikanische Art: Man saß auf eigenen Klappstühlen, das Bier und Coca Cola konnte aus den riesigen zu Hause vollgefüllten Kühlboxen genommen werden und daneben brutzelte das Mittagssteak am transportablen Holzkohlengrill!

Einige Kinder hatten sich sogar die Ladefläche eines Pick-Ups mit Kunststofffolien ausgekleidet und diese dann mit Wasser gefüllt - fertig war das mobile Swimmingpool! Viele nutzten das Dach ihres Campers als ideale Beobachtungsplattform. Trotz der vielen Menschen, schließlich verteilten sie sich ja auf eine ungeheuer lange Strecke, gab es kein Gedränge und man konnte alles in Ruhe ansehen.

Über 15.000 Hotrods, Klassiker, Customs, Muscle Cars, Corvettes, sowie jede Menge anderer Sportwagen und Exoten aus allen Staaten crouisten von Freitag nachmittags bis Sonntag abends ununterbrochen vor der versammelten Menschenmenge, meist im Schritt-Tempo. 

Man kann ruhig sagen, es handelte sich um den „schönsten Stau der Welt“. Die Polizei hatte die Organisation des Verkehrs in vorbildlicher Weise übernommen. An einem normalen Freitag versehen in Royal Oak, einer der Gemeinden, durch die das Cruising führt, 15 Polizeibeamte Dienst. An dem Freitag der Megaveranstaltung waren alleine in Royal Oaks 300 Polizisten im Dienst! Natürlich gab es auch einige historische Polizeiautos, sowie einige wunderschöne Feuerwehrfahrzeuge zu bewundern. 

Unglaubliches Staunen, als ein Streifenwagen vorbeirollte, den man sich bei uns nicht einmal mit größter Phantasie vorstellen kann: 

Es war ein neuer Ford Crown Victoria, wie andere Streifenwagen auch, aber dieser hatte außer der üblichen Polizeilackierung, dem Lichtbalken, Pushbars und sonstiger "Dienstausstattung" noch Hi-Jackers und unter der ziemlich schräg angehobenen Karosserie extrem breite Pro-Street Reifen auf verchromten Tiefbettfelgen und einen ziemlich kernigen Auspuffsound aus den dicken Trompeten. Ein sich ganz normal im Dienst befindlicher Officer mischte sich damit unter die Cruiser ! Das ist Amerika !

Die einzelnen Gemeinden an der Strecke stellten Musikgruppen, diverse Attraktionen für Kinder und andere Unterhaltungen für die angereisten Autoliebhaber zur Verfügung. Der General Motors Konzern demonstrierte in einer eigenen Ausstellung, mittels über einhundert Autos aus der werkseigenen Sammlung und Kundenfahrzeugen, die Entwicklung seiner Marken. Eine Autozubehör-Handelskette zeigte in einer Ausstellung etliche NASCAR Rennautos, die bei der Jugend besonders populär zu sein schienen. Auch eine eigene Kinder-Disco gab es. 

Unzählige Verkaufsstände säumten die Straße, die vielen Imbiss- und Getränkebuden sorgten für das leibliche Wohl der Besucher. Alle lokalen Radiosender hatten ihre Reporter vor Ort und lieferten den ganzen Tag Live-Sendungen direkt vom Cruising. Den ganzen Tag dröhnten klassische Hits der 50er Jahre aus den unzähligen Autoradios, viele davon natürlich noch originale alte Röhrengeräte. 

Die älteren Cruisingteilnehmer erzählten in den zahlreichen Interviews ihre Erlebnisse, die sie vor 40 oder 50 Jahren auf der Woodward Avenue hatten. Die unglaublichste Storries wurden da zum Besten gegeben! Alle Sender vergaben andauernd Preise für die schönsten, ältesten, originellsten und spektakulärsten Autos. 

Die vielen Preise wurden von diversen Firmen zur Verfügung gestellt, die sich im Gegenzug dafür gute Radiowerbung erwarteten. Es ist ja kaum zu glauben, welchen ungeheueren Wirtschaftsfaktor dieses ungewöhnliche Treffen für die Region darstellt. Während der Dauer der Veranstaltung ergab sich ein zusätzlicher Umsatz für die ansässigen Betriebe von 55 Millionen Dollar pro Tag!