Meine 77er Corvette C3
77er Corvette mit 508PS!
Kauf mit Hindernissen!!
Schon sehr lange
träumte ich von einer Corvette!
1993 las ich dann in einer Kleinanzeige von einem Exemplar im Zustand 1. Einziger Haken: Amerikas „real sportscar“ stand in Bremen – 800 km weit entfernt!
Dennoch – nach
mehreren verheissungsvollen Telefonaten packten wir Überführungskennzeichen,
dicken Geldbeutel, sowie viel Vorfreude ein und ab ging’s Richtung Norden. Doch
dort war die gute Laune bald dahin! Die Corvette, wie gesagt als Zustand 1
angepriesen, war in Wirklichkeit Schrott. Der am Telefon als "chromblitzend"
bezeichnete Motorraum brauchte keinen Vergleich mit einer ölverschmierten
Kohlenkiste zu scheuen. Die Türverkleidungen waren durch normale
Teppichboden-Auslegeware ersetzt! Die Tachonadel lag lose im Gehäuse. (Aussage
lt. Verkäufer: "Musste aufmachn' und anpappen" ) Die "Top-Lackierung" die besser
als Anstrich zu bezeichnen war spottete jeglicher Beschreibung. TÜV ? ASU?
"Musst'e
selber rüberfahrn - dürfte kein Problem sein" so der Verkäufer. Der Titel
Abzocker oder ganz einfach Schwein passt allerdings besser zu ihm als Verkäufer.
Diese Traumcorvette sollte nämlich DM 56.000,-- (in Worten:
Sechsundfünfzigtausend harte Deutsche Mark) kosten. Dass wir zu diesem Preis ein
wirklich gutes Exemplar erhofften liegt auf der Hand.
Mit
geballten Fäusten in der Hosentasche und schwarzen Streifen auf der Hofeinfahrt
des Scharlatans verliessen wir den Ort des Geschehens. Eigentlich gehört solchen
Leuten das Handwerk gelegt.....
1600 km umsonst gefahren ?
Also, 800 km hin und 800 zurück? Für nichts und wiedernichts. Das kam für uns nicht in Frage! Jahrelang wurde der Traum gehegt und an diesem Tag musste er in Erfüllung gehen. "Jetzt oder nie!" Es wird doch in Bremen und Umgebung eine vernünfige 'Vette geben, die auch den Gegenwert der mitgeschleppten (und wie ein Augapfel gehüteten) DM 60.000,-- darstellt.
Also- erst
mal beruhigen. Eine ordentliche Dosis Koffein in einem Bremer Cafe´ und - wie
schon seit Wochen - ein Stapel
Automobilzeitschriften und Anzeigenblätter. Im Anzeigenteil einer Autozeitung
fand ich eine knapp gehaltene Annonce mit
einem
Briefmarkengrossen Bild. "Sieht gut aus, was". Also, ran an's Telefon - die
Vorwahl kam mir "heimisch" vor!
Der
Besitzer äußerte sich diesmal weniger wortreich, dafür aber umso überzeugender:
"Das Auto steht auf einem weissen Teppich (hä?) in einer klimatisierten Garage,
ist vor einem Jahr in einem Fachbetrieb totalrestauriert worden, alles mit
Fotodokumentation belegt, wurde seither nicht mehr gefahren und geht keine Mark
unter 54.000,-- weg". Das hörte sich irgendwie seriös an. Sollte sich die Reise
doch noch gelohnt haben? Zu verlieren war nichts mehr, da die 'Vette in
Karlsruhe stand. Das Risiko, nochmals etliche Kilometer herunterzuspulen
entfiel, da Karlsruhe direkt an unserem Heimweg liegt.
Garage mit weissem Teppichboden?!
In Baden wurden wir von einem freundlichen Herrn empfangen. Dieser bat uns zunächst ins Wohnzimmer. Dass es sich dabei um ein Durchgangszimmer handelte ist nicht weiter aufregend. Dass allerdings das anschliessende Zimmer die besagte Garage war, schon eher. Hatte der Verkäufer diesmal nicht gelogen? - Was wir da auf weissem Teppich unter optimalen klimatischen Bedingungen zu sehen bekamen, verschlug uns die Sprache. Hier stand sie wirklich: die gesuchte Corvette im Zustand 1 Baujahr 1977. Sämtliche Wartungs- und Restaurierungsarbeiten waren belegt, die Restaurierung sogar mit über 600 Fotos.
Kaum hatten wir
unsere Fassung wiedergefunden, wurde der Handel perfekt gemacht und das
Glanzstück gleich mitgenommen.
Doch wie
so oft im Leben mischte sich bald ein Wermutstropfen in die anfängliche
Begeisterung. Nein, nein, mit der 'Vette war soweit alles 100%ig in Ordnung!!
Aber - der Motor war halt ein typischer "Spätsiebziger". Ölkriese und
Abgasvorschriften hatten die Muscle-Cars der 60er und frühen 70er flügellahm
werden lassen. Ganze 180 PS waren der '77er geblieben. Nicht eben viel für ein
Auto, das aussieht, als könne es jedem Porsche das Heck zeigen.
Hier musste dringend Abhilfe geschaffen werden!
Und, wenn man schon mal dabei ist.... die Lackierung war makellos und einwandfrei ausgeführt. Doch wir sehen nun mal gerne rot. Kurzum: Motor und Getriebe wurden bei "Frankie's Garage" in Marktoberdorf im Allgäu in Auftrag gegeben. Dort werden eigentlich V8 Rennmotoren entwickelt.
Power to the Chevy
Aber wir wollten ja auch Power. Also baute Frankie's Garage" einen strassentauglichen Ableger des hauseigenen Rennmotores. Ergebnis: 508 PS. Diese Power musste erstens auf die Strasse und zweitens im Bedarfsfall wieder zum Stillstand gebracht werden.
Also, wenn schon, denn schon..... Fahrwerk vom Feinsten - Bremsen natürlich auch - und und und.....
Während sich
Frankie mit Motor und Getriebe befasse, hatte sich die Firma Mocnik in Auggen/Baden
der Karosserie angenommen. Die Corvette war nun so rot, wie wir es uns in den
kühnsten Träumen vorstellten. Peter Mocnik - selbst Corvettefreak, hatte
unzählige Farbmuster gemischt und wir hatten die Qual der Wahl. Doch das
Endergebnis übertraf unsere hoch gesteckten Erwartungen (unser dafür
bereitgestelltes Budget allerdings auch). Aber.... genau - wenn schon, denn
schon!! Vorher wurde noch die originale Weichkunststoffront durch eine aus
glasfaserverstärktem Kunsstoff ersetzt. Ausserdem wurde der Turbo-Wing-Flügel
absolut übergangslos in die Karosserei eingepasst. Um hier den üblichen Knick im
Ansatzbereich nicht zu erhalten, wurde bereits ab der B-Säule Material
aufgetragen, sodaß alles wie "in einem Guss" erscheint. Die Turbo Fender in
den Kotflügeln und die Twin-Hutze wurden ebenfalls von der Fa. Mocnik in die
Karosse integriert.
Nach
Fertigstellung der Karosserie, Einbau des Fahrwerkes, der Bremsanlage, der
Wasser-bzw. Standheizung (wenn schon......) lieferte Frankie den Motor und das
Getriebe in Auggen bei Fa. Mocnik an. Dort wurden die Aggregate eingebaut.
Weiche Knie....
Die erste Fahrt
mit dem "heissen Gerät" allerdings gehörte nicht mir."Frankie's Garage" hatte es
sich aus Gewährleistungsgründen vorbehalten, den Probelauf und die
Einstellarbeiten im eingebauten Zustand selbst vorzunehmen. Also- Jeep und
Anhänger gemietet, 'Vette rauf, und ab nach Marktoberdorf. Zum Abschluss der
Einstellarbeiten stand dann besagte Ausfahrt an. Es ist doch beruhigend (oder
auch nicht) wenn man seinen vierrädrigen Liebling in geübten Händen weiss. Geübt
ist Frankie - selbst erfolgreicher Rennfahrer in der Special Tourenwagen Trophy.
Er schmiss die 'Vette um die Ecken und testete den "Biss". Und Biss hat das
Gerät -mehr als genügend!
Ich durfte
bei dieser ersten Testfahrt Beifahrer sein. Allerdings weiss ich bis heute
nicht, ob ich mehr Angst um mein Auto oder um mein Leben hatte...
Joe Stritt